Es gibt zwei völlig ver-schiedene Jagdhorntraditionen, die unabhängig voneinander existieren und sich entwickeln. Einerseits die französischen und andererseits die deutsch/ östereichisch/bömischen Entwicklungen. Die französische Trompe de chasse hatte ihre Blütezeit im 17. Jahrhundert am Hofe des Sonnenkönigs Ludwig XIV. In den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts wurde das Parforcehorn auch in Böhmen eingeführt. Die deutsche Tradition des Jagdhornblasens beginnt im Grunde erst im 19. Jahrhundert mit der Entwicklung und Verbreitung des Fürst-Pless-Horns und der "deutschen Jagdsignale". Als dann die Tradition der aristokratischen Kultur zu verfallen begann, geriet die ursprüngliche Form der Parforcejagdmusik in Vergessenheit. Erst nach dem 2. Weltkrieg erlebte das Jagdhornblasen seine Renaissance in Jägerkreisen. So auch in der Schweiz. Ein Grossteil der in unserer Region tätigen Jagdhorn-Bläsergruppen wurde zwischen 1960 und 1981 aus der Taufe gehoben.
Das Jagdhornblasen als Signal bei der Jagd ist sicherlich fast so alt wie das Jagen selbst. Es ist ein zentraler Bestandteil der Jagdkultur geworden. Die Benennung Horn weist auf den Ursprung dieses Instrumentes hin. Es waren zunächst Tierhörner. Heute gibt es unterschiedliche Formen von Jagdhörner.
Es waren Tierhörner, die als Megaphon schon in frühester Zeit verwendet wurden. Später, bei geeigneter Formgebung des schmalen Endes, wurden darauf die ersten Töne erzeugt. Der Zusammenhang mit der Jagd hatte eine doppelte Bedeutung. Sicherlich ging es darum, reiche Beute zu machen, aber es gab noch einen anderen Hintergrund. Die Natur sollte beschworen werden, sich nicht am Menschen für seine Eingriffe zu rächen.
Das Naturmaterial wurde allmählich durch andere Materialien ersetzt. Historisch interessant ist das Oliphant (= Elfenbein-Signalhorn) aus der
Roland-Sage. Diese kleinere Form des Horns wurde im 12. - 14. Jahrhundert häufig benutzt: als kurzes Hifthorn der Jäger, als Signalhorn der Wächter und als simples Horn der Hirten.
Allmähliche Vergrösserung dieses Hifthorns führte im 14. Jahrhundert zum Einrollen der Röhre. Es entstand das gewundene Jägerhorn mit den Tönen
c´, g´, c´´, e´´,g´´.
Um 1680 wurden in Frankreich und England schon grössere kreisrunde Rohre gebaut, die Parforce-Hörner. Grosse Bedeutung erlangten diese Hörner im 17. und 18. Jahrhundert, ausgehend vom französischen Königshof, wo nicht nur prunkvoll gebaut und musiziert, sondern auch prunkvoll gejagt wurde.
Der böhmische Graf Franz Anton von Sporck (1662-1738) lernte zu seiner Begeisterung das Instrument in Frankreich kennen und importierte es nach Deutschland. Nach 1848 wurde dieses Horn nur noch auf den wohl seltener gewordenen Prunkjagden der grossen Fürsten geblasen.
Im Gegensatz dazu erlangte das kleinere, umwickelte, runde Jagdhorn im 19. Jahrhundert grosse Bedeutung. Herzog Heinrich von Pless (1833-1909) leitete als Oberstjägermeister des Kaisers seit 1878 die Hofjagden und trug in der hohen Gesellschaft stets ein kleines Jagdhorn bei sich, das er gut zu blasen verstand und mit dem er Signale während der Jagd gab. Die politische und gesellschaftliche Stellung des Kaisers trug dazu bei, dass alles in seiner Umgebung, so auch die Jagd, als vorbildlich bewundert und nachgeahmt wurde. So wurden die Signale und das Fürst-Pless-Horn in ganz Preussen und später auch in den anderen deutschen Ländern übernommen.
Signale sind einfache Verständigungszeichen auf Distanz. Dies gilt für Tonsignale wie sie noch heute in der Jagd verwendet werden, wie für Signale im Militär-
und Postdienst vergangener Zeit. Als Signalinstrumente dienen vorwiegend Hörner, Posaunen, Trompeten, Trommeln und Glocken. Die Geschichte des Jagd-, Natur- und Waldhorns in Europa zeigt, dass die
Jagd unabtrennbar zu unserer Kulturgeschichte gehört und bestimmenden Einfluss auf Musik, Literatur und bildende Kunst ausbte. Die Geschichte des Jagd- und Naturhorns ist eine Geschichte steigender
musikalischer Anforderungen, vom einfachen Jagdsignal bis zum virtuosen Hornkonzert.
Auf der Jagd und beim jagdlichen Musizieren verwendete Hörner können wir in zwei Hauptgruppen einteilen:
Erst im Mittelalter tauchen in der Literatur genauere Hinweise über Hornsignale als akustische Verständigungszeichen der Jäger auf. Später hat sich dann aus den Signalen eine eigentliche "Jagdmusik" entwickelt, von einfachen Fanfaren und Liedern, bis zu virtuosen Vortragsstücken. In unserer Zeit können sich die Jagdhornbläser auf eine umfangreiche musikalische Literatur stützen.
Die kantonalen Jagd- und Wildschutz-Vereine fördern auf die eine oder andere Weise ihre Jagdhorn-Bläsergruppen und führen insbesondere im Kanton Aargau jährlich für Anfänger und Fortgeschrittene Kurse durch. Viele Bläser sind jedoch keiner der schätzungsweise 150 Jagdhorn-Bläsergruppen angeschlossen, welche im Schnitt etwa 12 Aktivmitglieder haben. Im Kanton Argau bigt es etwa 9 Jagdhorngruppen. Es kann bei den Herbstjagden ohne weiteres vorkommen, dass ein paar Jäger spontan ihr Fürst-Pless- und das Parforce-Horn hervornehmen und die Signale "Begrüssung" und "Aufbruch zur Jagd" ertönen lassen. Das Jagdhorn ist heute genau so wenig als Instrument der Jagdmusik wegzudenken als auch als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit der Jägerschaft. Zudem hat es seinen festen Platz als Instrument der Kommunikation behaupten können. Die Jäger, mit ihrem ausgeprägten Sinn für Tradition und für Wahrung ethischer Sitten und Bräuche der Jagd, werden immer dazu neigen, das altbewährte Jagdhorn zu gebrauchen und das Zeremoniell bei der Jagd zu pflegen.
(Quelle: Werner Flachs: "Das Jagdhorn, seine Geschichte von der Steinzeit bis zur Gegenwart" Verlag Kalt-Zehnder, Zug ISBN 3-85761-254-1)